SARS-CoV-2 im Rohwasser?

Monitoring von SARS-CoV-2 und anderen Viren im Rohwasser sowie Untersuchungen zum Verhalten von behüllten und unbehüllten Viren in der Aufbereitung.

Zu Beginn der COVID-19-Pandemie kam auch die Frage nach der Sicherheit des Trinkwassers in Hinblick auf das neuartige Coronavirus auf. Zwar legen theoretische Betrachtungen nahe, dass eine Verbreitung von SARS-CoV-2 über den Trinkwasserpfad höchst unwahrscheinlich ist, allerdings waren keine Messdaten zur Verbreitung des Virus in der aquatischen Umwelt vorhanden. Entsprechende Daten wurden im Rahmen dieses Projektes gewonnen.

Seit bekannt war, dass ein Teil der infizierten Personen den Virus mit dem Kot ausscheiden, stand die Befürchtung im Raum, dass das Virus über den Abwasserpfad in die aquatische Umwelt und damit auch in das Wasser, das zur Trinkwassergewinnung genutzt wird, eingetragen wird. Basierend auf den Erkenntnissen einer von uns durchgeführten Literaturstudie ist die Verbreitung von SARS-CoV-2 über das Trinkwasser als äußerst unwahrscheinlich einzustufen. Diese Schlussfolgerung beruht allerdings nicht auf Monitoring-Daten, sondern auf theoretischen Betrachtungen.

Der Nachweis des Virus beruht in den meisten Fällen auf der Erfassung der Nukleinsäure und erlaubt keine Differenzierung zwischen infektiösen und nicht-infektiösen Viren. In einem ersten Schritt wurde eine Methodik für den Nachweis von SARS-CoV-2-RNA in Rohwasserproben etabliert. Das Vorgehen umfasst die Konzentrierung der Viren aus einem größeren Volumen (10-100 L) mittels Ultrafiltration, eine sekundäre Anreicherung über eine Polyethylenglykol-Fällung, die Extraktion der viralen Nukleinsäuren sowie den Nachweis von SARS-CoV-2-spezifischen Genen mittels digitaler droplet PCR. Darüber hinaus wurde geprüft, ob eine Unterscheidung zwischen intakten und nicht-intakten Viren mittels innovativer PCR-basierter Verfahren möglich ist. Hierbei erwies sich der Nachweis von langen Nukleinsäure-Fragmenten (Long Amplicon-PCR) für Viren mit einem RNA-Genom als nicht zielführend. Der Einsatz des Farbstoffes Propidium-Monoazid (PMA-PCR), der in nicht-intakte Viren eindringt, an ihre Nukleinsäure bindet und damit eine PCR-Amplifikation verhindert, stellt hingegen eine Option zur Unterscheidung von intakten und nicht-intakten Viren dar.

Ein Fokus des Projektes lag auf der Untersuchung des Vorkommens von SARS-CoV-2 in Rohwässern. Insgesamt wurden 91 Oberflächenwasserproben und 9 Grundwasserproben auf das Vorkommen von SARS-CoV-2 analysiert. In keiner der Proben konnte SARS-CoV-2-RNA nachgewiesen werden.

Für die Laboruntersuchungen zum Verhalten von Viren in der Aufbereitung wurde der Pseudomonas-Phage phi6 als Surrogat für behüllte Viren und die Coliphagen MS2 und phiX174 für unbehüllte Viren ausgewählt. Die Ergebnisse der Untersuchungen belegen, dass durch die Behandlung mit Chlor, Ozon und UV-Strahlung eine Inaktivierung sowohl von behüllten als auch von unbehüllten Viren erreicht werden kann. Allerdings wurden behüllte Viren nicht immer effektiver inaktiviert als unbehüllte Viren, was auf die unterschiedlichen Wirkmechanismen und Angriffspunkte der Desinfektionsverfahren zurückzuführen ist. Die gewonnenen Daten in Kombination mit aktuellen Studien belegen aber deutlich, dass behüllte Viren wie SARS-CoV-2 aufgrund ihres Aufbaus (Membranhülle und einzelsträngiges RNA-Genom) durch eine Chlorung, Ozonung bzw. UV-Bestrahlung effektiv inaktiviert werden.

Insgesamt bestätigen die Erkenntnisse aus diesem Vorhaben, dass eine Verbreitung von SARS-CoV-2 über den Trinkwasserpfad höchst unwahrscheinlich ist. Das Multibarrierensystem der Trinkwasserversorgung und die Desinfektionsverfahren bieten zusätzlich einen effektiven Schutz gegenüber möglichen Kontaminationen mit SARS-CoV-2.

Publikationen:

Stange C., Ho J., Tiehm A.: Nachweisverfahren und Relevanz von SARS-Coronavirus-2 in der Wasserwirtschaft. KA Korrespondenz Abwasser, Abfall 68, 1: 29–39 (2021)

Stange C., Ho J., Tiehm A.SARS-CoV-2 im Kontext der Wasserversorgung. DVGW energie | wasser-praxis (EWP), 12/2020: 50–55 (2020)

Stange C., Ho J., Tiehm A.SARS-CoV-2 im Kontext der Wasserversorgung. Veröffentlichungen aus dem Technologiezentrum Wasser, ISSN 1434-5765, TZW-Band 93 (2020)

Stange C., Ho J., Tiehm A.Entwicklung von Monitoringmethoden für SARS-CoV-2 in Rohwässern und vergleichende Untersuchungen von behüllten und unbehüllten Viren in der Aufbereitung. Abschlussbericht zum DVGW-Vorhaben W 202014

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