In der Wasserversorgung stellt der Funktions- und Werterhalt der Infrastruktur eine große Herausforderung für die nächsten Jahre dar. Die Branche ist insbesondere an zerstörungsfreien Technologien zur Netzinspektion für die Zustandsbewertung von Rohrleitungen interessiert. Das seit kurzem verfügbare DVGW-Merkblatt W 492 beinhaltet eine Übersicht über praxistaugliche, zerstörungsfreie Inspektionstechnologien für Trinkwasserleitungen sowie deren Einsatzbereiche.
Die Inspektion der Trinkwasserleitungen mit Hilfe von Kamerainspektionen ist ein innovativer Ansatz, mit dem sich das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser schon seit mehreren Jahren beschäftigt. Als Teil seiner Forschungsarbeiten befasst sich das TZW derzeit in dem DVGW-Projekt „OptInspekt“ mit dem Einsatzbereich der Kamerainspektion. Hierzu hat es sich mit einem eigenen Inspektionssystem ausgerüstet, das über eine Kabellänge von 2500 Meter verfügt. Damit können deutlich größere Leitungslängen als mit üblichen Systemen befahren werden. In den vergangenen zwei Jahren wurden bereits mehrere Inspektionen im Rahmen von „OptInspekt“ sowie auch als Beratungsprojekte für Wasserversorgungsunternehmen durchgeführt und hierbei wertvolle Erkenntnisse und Erfahrungen gewonnen.
Ablauf einer Kamerainspektion – Hygiene hat oberste Priorität
Im Vorfeld der Inspektion wird entsprechend W 492 eine detaillierte Projektplanung durchgeführt, die unter anderem folgende Punkte berücksichtigt:
- Prüfung der Inspizierbarkeit durch Auswertung vorliegender Leitungsinformationen
- Erstellung eines Inspektionsablaufplans
- Gefährdungsbeurteilung
- Aufgabenabgrenzung zwischen den Beteiligten
Besonderes Augenmerk wird auf die Hygiene gelegt. Entsprechend W 492 wird das System ausschließlich im Trinkwasserbereich eingesetzt. Alle mit den inneren Leitungsoberflächen oder dem in der Leitung vorhandenen Wasser in Berührung kommenden Gegenstände sind gereinigt, sauber und desinfiziert. Das Kabel wird während der Befahrung kontinuierlich mit einem speziellen System desinfiziert.
Von der Inspektion wird ein Video erstellt und Auffälligkeiten in einem Fotoprotokoll festgehalten. Die Positionierung von Auffälligkeiten und Leitungseinbauten erfolgt dabei anhand der exakt erfassten Kabellänge. Bei Bedarf wird ein umfangreicher Bericht mit weitergehenden Auswertungen erstellt.
Bisher wurden bei verschiedenen Wasserversorgern folgende Leitungen inspiziert:
- Durchmesser: DN 400 – 1200
- Materialien: PE, GGG-Zm, Stahl
- Neuverlegte Leitungen und Bestandsleitungen
- Leere und gefüllte Leitungen
Nach den bisherigen Erfahrungen können durch eine Kamerainspektion unter anderem folgende Information gewonnen werden:
- Zustand der Innenoberfläche (Abplatzungen, Korrosion, Rauheit, Farbe, Inhomogenitäten)
- Rohrgeometrie
- Ablagerungen
- Gasblasen
- Fremdkörper
- Wurzeleinwuchs
- Beschaffenheit von Inlinern
- Beschaffenheit von Opferanoden
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten für die Qualitätsprüfung und Neuausrichtung
Mehrere Projekte zielten auf die Qualitätsprüfung bei Neuverlegungen und Baumaßnahmen, wobei Fragestellungen z. B. die Versiegelung von Schweißnähten bei Stahlleitungen oder das Vorhandensein von Verschmutzungen waren. Zudem wurden auch seit längerem außer Betrieb genommene Leitungen befahren, um Informationen für eine mögliche Wiederinbetriebnahme zu erhalten. In einem Fall wurde zusätzlich zur Kamerabefahrung auch ein elektromagnetisches Verfahren zur Erfassung des Zustands der Rohrwand verwendet, um umfangreiche Informationen zur Leitungssituation zu erhalten.
Zur Erweiterung des Einsatzbereiches der Kamerainspektion laufen derzeit im Rahmen des DVGW-Projektes „OptInspekt“ Untersuchungen zur Inspektion unter Druck befindlicher Leitungen sowie zur Anwendung des Systems „Wasserschlange“, das neben der Optik auch Sensorik zur Erfassung von Leckagen besitzt. Nähere Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier.
Der Einsatz von Kamerainspektionen ist für den Trinkwasserbereich ein innovatives Verfahren. Für Wasserversorgungsunternehmen kann es ein hervorragendes Instrument sein, um den Zustand und Möglichkeiten für neue Strukturkonzepte detailliert und faktenbasiert auszuloten. Bei Fragen zur Inneninspektion von Trinkwasserleitungen steht Ihnen das TZW gern zur Verfügung.