Neue EU-Trinkwasserrichtlinie: Regelungen für PFAS sind analytisch nur teilweise umsetzbar

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Im Entwurf der neuen EU-Trinkwasserrichtlinie sind erstmals auch per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) geregelt. Diese naturfremden, industriell hergestellten Chemikalien gelangen über eine Vielzahl von Produkten in die Umwelt. Der Nachweis und die Überwachung dieser derzeit nicht oder nur schwierig zu analysierenden Verbindungen bedeutet für die Wasseranalytik neue Herausforderungen.

Am 18. Dezember 2019 erzielten die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Europäische Rat nach insgesamt fünf Trilog-Verhandlungen eine Einigung über den Entwurf der neuen Trinkwasserrichtlinie der Europäischen Union (EU-TWRL). Die Veröffentlichung der Richtlinie wird im Verlauf des Jahres 2020 erwartet und ist dann innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht der Mitgliedsstaaten umzusetzen.

Im Entwurf der neuen EU-TWRL sind erstmals auch per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) geregelt. Bei PFAS handelt es sich um naturfremde, industriell hergestellte Chemikalien. Sie besitzen wasser-, fett- und schmutzabweisende Eigenschaften und werden seit den 1950er Jahren z. B. in galvanischen Bädern, Feuerlöschschäumen, antihaft-beschichtetem Kochgeschirr, Outdoor-Kleidung und Lebensmittelverpackungen verwendet. Eine im Jahr 2018 von der OECD veröffentlichte PFAS-Liste umfasst mehr als 4700 Einträge. Hinzu kommen ungewollte Synthesenebenprodukte und Verunreinigungen sowie Transformationsprodukte, die in der Umwelt sowohl abiotisch als auch durch biologischen Abbau entstehen können. Viele PFAS können potentiell zu den extrem persistenten perfluorierten Carbon- und Sulfonsäuren abgebaut werden.

Anhang I der neuen EU-TWRL sieht nun einen Summengrenzwert (Sum of PFAS) von 0,1 µg/L für eine Auswahl von 20 dieser perfluorierten Alkylsäuren vor, die in Anhang III gelistet sind. Diese 20 Zielverbindungen stellen somit nur eine Teilmenge aller bekannten PFAS dar. Geregelt werden sollen damit zukünftig Perfluoralkylverbindungen, die eine Perfluoralkyleinheit mit drei oder mehr (maximal 13) Kohlenstoffatomen enthalten.

Zusätzlich wurde ein PFAS-Summenparameter (PFAS - Total) von 0,5 µg/L für die Summe aller PFAS eingeführt. Er soll allerdings erst zur Anwendung kommen, wenn technische Regeln für die Überwachung dieses Parameters entwickelt sind. Die Mitgliedsstaaten können dann entscheiden, ob sie entweder einen der Parameter PFAS - Total oder Sum of PFAS oder beide verwenden wollen.

Derzeit nur teilweise analytische Umsetzbarkeit

Die 20 genannten Einzelverbindungen des Parameters Sum of PFAS umspannen eine große Bandbreite von PFAA mit Kettenlängen von C4 bis C13. Derzeit sind allerdings für zwei der langkettigen Sulfonsäuren keine analytischen Standards verfügbar, die eine unabdingbare Voraussetzung für eine quantitative Analytik sind (Stand: August 2020). Des Weiteren fehlen für einige PFAS des Anhangs III isotopenmarkierte Standards, die für eine genaue Konzentrationsbestimmung bei der HPLC-MS/MS-Analytik notwendig sind, um Matrixeffekte zu korrigieren und um Verluste bei der Probenvorbereitung rechnerisch auszugleichen.

Es ist kritisch anzumerken, dass das Vorkommen von PFAS mit Kettenlängen > C10 in Oberflächengewässern und Grundwässern äußerst unwahrscheinlich ist, da sie in der Umwelt vorwiegend an Feststoffen oder in der ungesättigten Zone an der Wasser/Luft-Grenzfläche gebunden vorliegen. Daher ist auch ihr Auftreten im Trinkwasser praktisch ausgeschlossen. Die starke Tendenz dieser Verbindungen zur Anreicherung an Grenzflächen stört auch deren Analytik aus Wasser enorm, da sie auch hier zur Adsorption z. B. an Gefäßwandungen neigen und somit auch die Gefahr von Verschleppung besteht. Da diese Stoffe jedoch zukünftig in der EU-TWRL und damit auch in der TrinkwV geregelt sein werden, hat das technische Komitee CEN/TC 230 ‚Water Analysis‘ vor kurzem ein neues, sog. New Work Item Proposal für die Entwicklung einer Analysemethode mit einer erweiterten Liste von Substanzen gestartet. Über den DIN-Arbeitskreis NA 119-01-03-02-21 AK "Per- und polyfluorierte Alkyl-Stoffe (PFAS)" arbeitet das TZW aktiv an diesem Normungsvorhaben mit.

Ein Ausweg aus der Problematik, diese derzeit nicht oder nur schwierig analysierbaren Verbindungen überwachen zu müssen, könnte der Hinweis auf die Risikobewertung und das Risikomanagement hinsichtlich des Vorkommens dieser Verbindungen im Einzugsgebiet von Wasserversorgungen sein. Entsprechend der Erläuterung in Anhang III der geplanten EU-TWRL müssen diese 20 Stoffe nur überwacht werden, wenn ihr Vorkommen in einer bestimmten Wasserversorgung wahrscheinlich ist. Es bleibt allerdings zu bezweifeln, dass sich die zuständigen Überwachungsbehörden mit dem Ausschluss langkettiger PFAS allein aufgrund der Betrachtung physikalisch-chemischer Eigenschaften zufriedengeben werden. Vermutlich wird zumindest anfangs eine analytische Überwachung angeordnet und erst nach einigen Negativbefunden der Parameterumfang ggf. gekürzt werden können.

Mit welchen Methoden die neuen Parameter überwacht werden können

Die EU-TWRL lässt im momentanen Entwurf offen, mit welchen analytischen Methoden zukünftig der Parameter PFAS - Total überwacht werden soll. Ein genormtes Verfahren liegt derzeit noch für keine der möglichen Methoden vor. Grundsätzlich muss man hier zwischen fluorspezifischen und perfluoralkylgruppenspezifischen Parametern unterscheiden.

Die organofluorspezifischen Verfahren AOF (adsorbierbares organisch gebundenes Fluor) und EOF (extrahierbares organisch gebundenes Fluor) beruhen darauf, dass der Gehalt an Fluor aus Organofluorverbindungen, die sich mit einem bestimmten Extraktionsverfahren aus einer Probe isolieren lassen, mittels Elementaranalyse auf Fluor bestimmt wird. Die Probenextrakte, eine beladene Aktivkohle beim AOF bzw. ein methanolischer Extrakt beim EOF, werden hierbei vollständig durch Verbrennung aufgeschlossen. Da sowohl beim AOF als auch beim EOF sämtliche adsorbierbaren oder extrahierbaren Organofluorverbindungen erfasst werden, also z. B. auch fluorierte Pflanzenschutz- und Arzneimittel und ihre Abbauprodukte, sind beide Parameter nicht spezifisch für PFAS und damit ungeeignet zur Überwachung des Parameters PFAS - Total.

Wegen seiner guten Empfindlichkeit und Selektivität kommt der Total Oxidizable Precursor (TOP)-Assay derzeit einem Parameter PFAS - Total am nächsten, wenngleich damit manche der aktuell am Markt befindlichen Per- und Polyfluoralkylether nicht erfasst werden können. Beim TOP-Assay werden polyfluorierte Verbindungen durch Oxidation in gut messbare Perfluoralkancarbonsäuren überführt. Da diese mit der empfindlichen HPLC-MS/MS-Analytik bestimmt werden, entspricht die Empfindlichkeit des TOP-Assays der sehr guten Empfindlichkeit der PFAS-Einzelsubstanzbestimmung. Andere mögliche Methoden zu Bestimmung des Parameters PFAS Total, wie die Particle Induced Gamma-Ray Emission (PIGE)-Spektrometrie oder die 19F-Kernmagnetische Resonanzspektroskopie, erscheinen für eine Routineanwendung vollkommen ungeeignet.

Das TZW hat seine Analysenmethode für die Einzelsubstanzen bereits erweitert und (soweit wie bisher möglich) den neuen Anforderungen angepasst. Die weltweite Nichtverfügbarkeit zweier analytischer Standards verhindert momentan allerdings noch die Analyse des Parameters Sum of PFAS wie er im Entwurf der EU-TWRL vorgesehen ist. Die drei für den Parameter PFAS - Total diskutierten Methoden AOF, EOF und TOP-Assay, sind seit Jahren am TZW etabliert. Aus analytischer Sicht besteht allerdings noch methodischer Definitions- und Entwicklungsbedarf, zu dem sich in einem nächsten Schritt die EU positionieren muss.

Trotz aller analytischen Herausforderung ist zu begrüßen, dass diese außergewöhnliche Stoffgruppe in der EU eine größere Aufmerksamkeit erfährt. Damit wird nicht nur die Zero Pollution Strategy der EU unterstützt, sondern auch die Bestrebungen einiger EU-Mitgliedsstaaten hin zu einem kompletten Verbot von PFAS. Jedoch ist die einfache Addition von PFAS-Konzentrationen ohne Berücksichtigung ihrer toxikologischen Relevanz kritisch anzumerken und könnte zukünftig bei betroffenen Wasserversorgungen zu Schwierigkeiten führen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn toxikologisch weniger bedenkliche, kurzkettige, mobile und damit aufbereitungstechnisch schwer entfernbare PFAS, einen größeren Beitrag an der Gesamtkonzentration an PFAS aufweisen.

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