In der 2020 neugefassten EU-Trinkwasserrichtlinie und der deutschen Trinkwasserverordnung 2023 sind erstmals Parameterwerte für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) festgelegt worden. Diese naturfremden, industriell hergestellten Chemikalien gelangen über eine Vielzahl von Produkten und Prozessen in die Umwelt. Der Nachweis und die Überwachung von derzeit nicht oder nur schwierig zu analysierenden Verbindungen bedeuten für die Wasseranalytik neue Herausforderungen.
Die EU-Richtlinie 2020/2184 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2020 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch wurde am 23.12.2020 veröffentlicht und mit der deutschen TrinkwV, die am 24.6.2023 in Kraft trat, in nationales Recht umgesetzt. In der neugefassten Richtlinie 2020/2184 sind erstmals auch per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) mit zwei neuen Parameterwerten aufgenommen worden.
Was sind PFAS?
Bei PFAS handelt es sich um naturfremde, industriell hergestellte Chemikalien. Sie besitzen wasser-, fett- und schmutzabweisende Eigenschaften und werden seit den 1950er Jahren z. B. in galvanischen Bädern, Feuerlöschschäumen, antihaft-beschichtetem Kochgeschirr, Outdoor-Kleidung und Lebensmittelverpackungen verwendet. Wegen der Persistenz perfluorierter Verbindungen, die häufig als Endabbauprodukte von polyfluorierten Vorläuferverbindungen in der Umwelt entstehen, gepaart mit der Mobilität kurzkettiger PFAS und dem Bioakkumulationspotential langkettiger PFAS im menschlichen Körper sollen ihre Produktion und die Anwendung zukünftig in der EU weitgehend beschränkt werden.
PFAS in der EU-Trinkwasserrichtlinie
Anhang I der neuen Richtlinie sieht einen Parameterwert (Summe der PFAS) von 0,1 µg/L für die Summe der Konzentrationen einer Auswahl von 20 perfluorierten Alkylsäuren vor, die in Anhang III gelistet sind. Diese 20 Zielverbindungen stellen somit nur eine sehr kleine Teilmenge aller bekannten PFAS dar. Geregelt werden damit Perfluoralkylsäuren (PFAA), die eine Perfluoralkyleinheit mit drei oder mehr (maximal 13) Kohlenstoffatomen enthalten. Bei dieser Vorgehensweise wird nicht zwischen den unterschiedlichen Toxizitäten der PFAA mit verschiedenen Alkylkettenlängen differenziert. Dies kann bei Vorliegen von PFAA-Kontaminationen in Trinkwässern zukünftig zu einer Verschlechterung der Beurteilung führen, insbesondere wenn ein hoher Anteil kurzkettiger PFAA geringer Toxizität vorliegt. Zusätzlich wurde der Summenparameter PFAS gesamt mit einem Parameterwert von 0,5 µg/L für die Summe aller PFAS eingeführt. Dabei ist in der EU-Richtlinie an keiner Stelle eine Definition des Begriffs PFAS zu finden.
Technische Leitlinien liegen jetzt vor: Methoden zur Überwachung von Summe der PFAS und PFAS gesamt
Die neuen Parameter sollten erst zur Anwendung kommen, wenn technische Regeln für die Überwachung dieses Parameters entwickelt worden sind. Diese technischen Regeln sollten ursprünglich bis zum 12. Januar 2024 vorliegen, tatsächlich wurden sie am 7. August 2024 mit der Bekanntmachung C/2024/4910 „Technische Leitlinien bezüglich der Analyseverfahren zur Überwachung der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in Wasser für den menschlichen Gebrauch“ veröffentlicht.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Sachgebiet Wasserchemische Forschung am TZW waren Teil eines internationalen Konsortiums bestehend aus dem IWW sowie der Universität Örebro/Schweden und der Universität Kopenhagen/Dänemark. Dieses verglich in einem Beratungsprojekt für die EU-Kommission zahlreiche bestehende Analysenmethoden (Target-/Non-Target-Analytik, Summenparameter) bezüglich ihrer Eignung zur Bestimmung von Summe der PFAS und PFAS gesamt. Das Ergebnis floss in einen Entwurf dieser technischen Regeln ein. Nach Vorliegen der technischen Regeln können die Mitgliedsstaaten nun entscheiden, ob sie entweder einen der Parameter Summe der PFAS oder PFAS gesamt oder beide anwenden. In Deutschland wird nur der Parameter Summe der PFAS (unter der Bezeichnung Summe PFAS-20) mit einem Grenzwert von 0,1 µg/L (gilt ab 12. Januar 2026) in der neuen TrinkwV umgesetzt. Zusätzlich führte Deutschland den zusätzlichen Parameter Summe PFAS-4 mit einem Grenzwert von 0,02 µg/L bzw. 20 ng/L (gültig ab 12. Januar 2028) für die Summe der Konzentrationen der vier PFAS PFOA, PFNA, PFHxS und PFOS ein. Dieser Parameter wurde unter Berücksichtigung der 2020 durch die European Food Safety Authority (EFSA) festgelegten zulässigen wöchentlichen Aufnahmemenge (Tolerable Weakly Intake, TWI) von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht abgeleitet.
Summe der PFAS inzwischen analytisch überwachbar
Die 20 genannten Einzelverbindungen des Parameters Summe der PFAS umspannen eine große Bandbreite von PFAA mit Kettenlängen von C4 bis C13. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Richtlinie 2020/2184 waren noch für zwei der langkettigen Sulfonsäuren keine analytischen Standards verfügbar, die eine unabdingbare Voraussetzung für eine quantitative Analytik sind. Des Weiteren fehlten für einzelne PFAS des Anhangs III isotopenmarkierte Standards, die für eine genaue Konzentrationsbestimmung bei der HPLC-MS/MS-Analytik notwendig sind, um Matrixeffekte und Verluste bei der Probenvorbereitung rechnerisch zu korrigieren. Diese Lücken wurden mittlerweile teilweise geschlossen.
Es ist allerdings kritisch anzumerken, dass das Vorkommen von PFAS mit Kettenlängen > C10 in Trinkwässern äußerst unwahrscheinlich bzw. nahezu ausgeschlossen ist, da sie in der Umwelt vorwiegend an Feststoffen gebunden oder in der ungesättigten Zone an der Luft/Wasser-Grenzfläche angereichert vorliegen. Die starke Tendenz dieser Verbindungen zur Anreicherung an Grenzflächen stört auch deren Analytik aus Wasser enorm, da sie auch hier zur Adsorption, z. B. an Gefäßwandungen, neigen und somit auch die Gefahren von starken Minderbefunden sowie Verschleppungen bestehen. Da diese Stoffe jedoch nun geregelt sind, wurde im technischen Komitee CEN/TC 230 Water Analysis die neue europäische Norm EN 17892 erarbeitet. Diese wurde im August 2024 veröffentlicht und wird in der technischen Leitlinie als Analysenmethode für Summe der PFAS empfohlen. Sie beschreibt die zwei Varianten der HPLC-MS/MS-Bestimmung: Verfahren mit Direktinjektion und Verfahren nach Festphasenextraktion (SPE). Diese Norm trägt insbesondere der besseren Erfassbarkeit der langkettigen PFAA sowie der Notwendigkeit niedriger Bestimmungsgrenzen (im Mittel 1,5 ng/L pro Einzelsubstanz) Rechnung. Die Federführung lag beim Deutschen Institut für Normung (DIN). In dem DIN-Arbeitskreis NA 119-01-03-02-21 AK "Per- und polyfluorierte Alkyl-Stoffe (PFAS)" arbeitete ein Vertreter des TZW aktiv an diesem Normungsvorhaben mit.
PFAS gesamt als problematischer Parameter
Für den Parameter PFAS gesamt gibt es derzeit noch kein harmonisiertes und genormtes Verfahren. Da jede analytische Methode ein gewisses analytisches Fenster hat, kann es auch bestenfalls eine Proxy-Methode für PFAS gesamt geben. Da die Richtlinie 2020/2184 keine Definition des Begriffs PFAS enthält, wurde im Beratungsprojekt mit der Kommission festgelegt, dass die Definition der OECD aus dem Jahr 2021 anzuwenden ist. Danach zählt mit wenigen Ausnahmen jede Substanz, die mindestens eine –CF2– oder eine –CF3-Gruppe enthält als PFAS. Insgesamt gehören etwa 6,5 Millionen Verbindungen zu dieser Stoffgruppe. Darunter sind z. B. auch viele Pflanzenschutzmittel- und Arzneimittelwirkstoffe und deren Metaboliten sowie die ultrakurzkettigen PFAA Trifluoressigsäure (TFA) und Perfluorpropionsäure (PFPrA). Vor allem das derzeit noch als vergleichsweise gering humantoxisch bewertete TFA dominiert in Trinkwässern den PFAS-Gehalt. Ursache für die TFA-Belastung ist hauptsächlich der Abbau von Vorläuferverbindungen, wie z. B. von Fluorkohlenwasserstoffen, die in Kältemitteln für Klimaanlagen Verwendung finden, oder auch von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen. Sofern der Parameter PFAS gesamt in einem Mitgliedsstaat der EU zur Überwachung herangezogen würde, hätten zahlreiche Wasserwerke nach Inkrafttreten des Parameterwerts von 0,5 µg/L allein wegen der TFA-Konzentrationen eine Überschreitung des Parameterwerts. Daher schlägt die Kommission in der Richtlinie C/2024/4910 für PFAS gesamt vor, dass die TFA-Konzentration separat bestimmt und von der PFAS gesamt-Konzentration einschließlich TFA abgezogen werden soll. Dies führt allerdings aus methodischen Gründen zu großen Ungenauigkeiten, d. h. zu nicht bewertbaren Ergebnissen, und kann daher aus analytischer Sicht nicht empfohlen werden. Für deutsche Wasserwerke besteht diese Herausforderung bezüglich TFA derzeit nicht, da der Parameter PFAS gesamt nicht in die TrinkwV aufgenommen wurde und ansonsten für TFA ein vergleichsweise hoher Höchstwert als nicht-relevanter PSM-Metabolit (nrM) von 10 µg/L sowie ein Trinkwasser-Leitwert von 60 µg/L existieren.
Fokus auf PFAS ist wichtig
Trotz fehlender Definitionen und fachlich zweifelhafter Festlegungen bzgl. der PFAS-Parameter in der EU-Richtlinie 2020/2184 sowie aller daraus resultierenden analytischen Herausforderungen ist zu begrüßen, dass der Stoffgruppe der PFAS in der EU inzwischen eine große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Damit wird nicht nur die Zero Pollution Strategy der EU unterstützt, sondern auch die Bestrebung eine weitgehende Beschränkung von PFAS in der EU zu erreichen. Jedoch ist die einfache Addition von PFAS-Konzentrationen ohne Berücksichtigung ihrer toxikologischen Relevanz kritisch zu betrachten und könnte zukünftig bei betroffenen Wasserversorgungen zu Schwierigkeiten führen. Dies ist vor allem deshalb der Fall, wenn toxikologisch weniger bedenkliche, kurzkettige, mobile und damit aufbereitungstechnisch schwer entfernbare PFAA, wie z. B. die Perfluorbutansäure (PFBA), einen großen Beitrag der Gesamtkonzentration an PFAS aufweisen. Für den Schutz der menschlichen Gesundheit erscheint ein Summenparameter, der sowohl sehr kurzkettige als auch langkettige PFAS mit völlig unterschiedlichen toxikologischen Eigenschaften erfasst, wenig sinnvoll.
Umfassendes Knowhow am TZW
Das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser hat sich schon frühzeitig mit der Stoffgruppe der PFAS beschäftigt und hierzu umfangreich geforscht. Außerdem wurden zahlreiche technisch-wissenschaftliche Expertisen für Auftraggeber aus unterschiedlichen Branchen wie Wasserversorgung, Behörden, Industrie und Infrastruktur erstellt. Daher gehören auch die Themen Verfrachtung von PFAS-Kontaminationen im Grundwasser, Stofftransport von PFAS aus belasteten Böden in Nutzpflanzen sowie die Freisetzung von PFAS aus Materialien zum Portfolio.
Infoflyer „PFAS in der Umwelt. Anforderungen und Lösungen“ (pdf-Datei)
Aktuelle Forschungsprojekte am TZW zum Thema
PFClean - Innovatives modulares System zur nachhaltigen Reduzierung von PFAS-Kontaminanten aus Boden und Grundwasser
ZeroPM - Zero Pollution of persistent and mobile substances
KapilloPFAS - PFAS-Entfernung mittels Nanofiltration