Das Sino-German Water Supply Network (SIGN) ist ein deutsch-chinesisches Verbundvorhaben, das seit 2015 mit BMBF-Förderung läuft und bereits in der zweiten Runde ist. Eine kürzlich erschienene Sonderausgabe der Zeitschrift „Science of the total Environment“ mit dem Titel „Taihu (China): Water Quality and Processes – From the Source to the Tap“ bietet jetzt einen umfassenden Überblick zu den Forschungsarbeiten am Tai-See in China. Prof. Dr. Andreas Tiehm, Abteilungsleiter Mikro- und Molekularbiologie am TZW, ist der Projektkoordinator dieses Verbundvorhabens. Er hat einige wesentliche Fragen zu SIGN für die TZW NEWS beantwortet.
Frage: Könnten Sie uns zu Beginn kurz erläutern, was der aktuell erschienene Sonderband zum Projekt SIGN beinhaltet?
Insgesamt umfasst die Sonderausgabe 26 Publikationen mit Beiträgen zur Schadstoffverteilung im Tai-See bis hin zu innovativen Ansätzen im Bereich Überwachung, Modellierung, Trinkwasseraufbereitung und Verteilung. Das SIGN/SIGN2-Konsortium hat im Zuge der bereits langjährigen Forschungsaktivitäten die Veröffentlichung aktueller Ergebnisse der BMBF-geförderten Vorhaben wie auch der chinesischen Projekte als thematisch fokussierte Sonderausgabe mit dem Titel „Taihu (China): Water Quality and Processes – From the Source to the Tap“ der Zeitschrift „Science of the Total Environment“ (STOTEN) initiiert. Nach Abschluss der externen fachlichen Begutachtungen liegt der Sonderband nun vor und kann online eingesehen werden.
Frage: Die deutsch-chinesische Kooperation begann im Jahr 2015. Gab es einen Anlass, dieses Projekt zu starten? Warum fiel die Wahl auf den Tai-See als Forschungsobjekt? Was ist die besondere Bedeutung des Tai-Sees für die Wasserversorgung in China?
Der Tai-See ist Chinas drittgrößter Süßwassersee. Dort wird seit Jahren eine zunehmende Wasserverschmutzung beobachtet. So prägen seit Ende der 1980er Jahre Eutrophierung und Algenblüten den See. Der Tai-See stellt dementsprechend ein drastisches Beispiel für die Wasserverschmutzung mit organischen Schadstoffen, Nährstoffen und Schwermetallen dar, die in vielen flachen Süßwasserseen in China vorkommen. Dennoch wird der Tai-See als Trinkwasserressource für mehr als 10 Millionen Menschen genutzt. Die niedrige und schwankende Rohwasserqualität stellt die Trinkwasserversorgung vor große Herausforderungen. Aufgrund der rasanten industriellen und wirtschaftlichen Entwicklung und somit der kontinuierlich steigende Bedarf an Brauch- und Trinkwasser wurde die Tai See-Region eine der Fokus-Regionen des aktuellen chinesischen Förderprogramms zur Kontrolle und Behandlung von kontaminiertem Wasser. Die geschilderte Problematik ist typisch für viele Flachseen in China. Lösungen, die sich am Tai See bewähren, können daher als beispielgebend für ganz China und weitere asiatische Länder gelten. Im Rahmen der deutsch-chinesischen Kooperation SIGN werden daher seit 2015 Forschungsaktivitäten am Tai-See durchgeführt. Das TZW koordiniert dabei das Verbundvorhaben von deutscher Seite, das sich mittlerweile in der zweiten Phase (SIGN2) befindet.
Frage: Können Sie etwas genauer erläutern, welche Untersuchungen im Rahmen des Projektes vorgenommen werden?
Das Verbundvorhaben SIGN/SIGN2 leistet durch den ganzheitlichen Blick auf die gesamte Prozesskette, also von der Gewässergüte und Rohwasserqualität über die Trinkwasseraufbereitung bis zur Trinkwasserverteilung, einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Wasserqualität am Tai-See. Mischungsprozesse zwischen Wasser und Sediment haben aufgrund der sehr geringen Wassertiefe des Tai-Sees einen großen Einfluss auf die Schadstoffverteilung im See und somit auch auf die Rohwasserqualität für die Trinkwassergewinnung. Um ein vertieftes Prozessverständnis der Schadstoffdynamik im Tai-See zu erlangen, werden im Verbundprojekt innovative Monitoringmethoden und Sensortechnologien getestet. Für die Aufklärung dieser Austauschdynamik werden anorganische und organische Schadstoffe, Biomasse und Toxizität betrachtet. Dabei werden innovative Techniken wie beispielsweise die Feldflussfraktionierung angewendet, um den Einfluss der Partikelgröße und Partikeldichte auf die Dynamik der suspendierten Partikel in der Wasserphase zu ermitteln.
Frage: Wenn der See eine so schlechte Rohwasserqualität aufweist, wie kann man es schaffen, daraus Trinkwasser zu gewinnen? In welche Richtung gehen die Überlegungen dabei? Welche Aufbereitungsschritte werden betrachtet?
Das Rohwasser für die Trinkwasserproduktion stammt unmittelbar aus dem Tai-See. Aufgrund der schlechten Rohwasserqualität werden derzeit umfangreiche Aufbereitungsmaßnahmen bei der Produktion von Trinkwasser benötigt. Trotzdem entspricht die Wasserqualität z. B. aufgrund von Geschmacks- und Geruchsstoffen nicht immer den Trinkwasserstandards in China. Für die Produktion von sauberem Trinkwasser werden im Rahmen von SIGN2 neue dichte Membranen und Sensoren zur Prozesssteuerung entwickelt und im Pilotmaßstab an einem Wasserwerk in China getestet. Für die Entwicklung einer optimierten Aufbereitungskette werden chemische und mikrobiologische Parameter umfassend analysiert. Im Übrigen kann - neben der Wasseraufbereitung - nur mit einer guten Netzpflege die Verteilung des Trinkwassers bis zum Verbraucher ohne Qualitätseinbußen gewährleistet werden. Um die Verteilung des Trinkwassers zu verbessern, optimieren die deutschen Projektpartner Methoden zur Leckage-Ortung, Spülung von Trinkwasserleitungen sowie Armaturen-Instandhaltungsgeräte und entwickeln ein integrales softwaregestütztes Managementtool angepasst an die chinesischen Randbedingungen.
Frage: Was sind die nächsten geplanten Schritte für die Forschungsarbeiten?
Im Verbundvorhaben SIGN2 werden in Deutschland bewährte Technologien und Konzepte gezielt an die Randbedingungen in China angepasst. Derzeit werden die Methoden weiterentwickelt und die bereits aus mehreren Probenahmekampagnen in China entnommenen Proben ausgewertet. Aufgrund der Pandemie mussten die geplanten Reisen und Konferenzen in China dieses Jahr leider abgesagt werden. Nächstes Jahr sollen Demonstrationen, Schulungen und Workshops wiederaufgenommen werden. Die geschilderten Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sollen in die Anpassung der Produkte der deutschen Industriepartner für den chinesischen Markt sowie in praktisch umsetzbare Handlungsempfehlungen und Management-Konzepte für ein nachhaltiges Wassermanagement münden.
Frage: Wer sind die Projektpartner auf deutscher und auf chinesischer Seite und wie erfolgt die Förderung?
Das Konsortium besteht von deutscher Seite aus insgesamt 13 Projektpartnern mit acht Partnern aus der Industrie sowie zwei Universitäten und drei Forschungsinstituten. Die deutschen Partner werden im Rahmen des Förderprogramms CLIENT II vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Auf chinesischer Seite arbeitet das Konsortium vor allem mit der Tongji-Universität (Shanghai), der Chinese Research Academy of Environmental Sciences (Peking) und Jiangnan University (Wuxi) sowie mehreren Wasserversorgen und Fachbehörden am Tai-See zusammen. Diese haben auch eigene Förderprogramme im Bereich Wasser. Die erfolgreiche Umsetzung in China wird durch die Beteiligung führender Forschungsinstitute sowie der relevanten chinesischen Behörden und Wasserwerke sichergestellt. Durch Demonstrationen, Schulungen des Betriebspersonals sowie Workshops an Forschungseinrichtungen wird die Akzeptanz vor Ort erhöht.
Weitere Informationen zum SIGN-Konsortium und zum Sonderband
Bei Interesse besteht die Möglichkeit beim Koordinationsteam von SIGN2 eine gebundene Version der Sonderausgabe zu erhalten Ein Überblick über die Sonderausgabe kann online unter diesem Link abgerufen werden.
Projekte
Chinesisch-deutsches Wasser-Netzwerk (SIGN): Sauberes Wasser von der Quelle bis zum Verbraucher
Deutsch-chinesische Zusammenarbeit (SIGN2): Sauberes Trinkwasser von der Quelle bis zum Verbraucher
Video
Interview mit Prof. Andreas Tiehm (CLIENT II Projekt SIGN2)
Broschüre
Sino-German Water Supply Network